12.08.2022

Gesellschaft

Zwischennutzung: Alles, was Sie dazu wissen müssen

2021: Irrgarten als Zwischennutzung auf der Museumsbrache. Foto: Christine Moor, Bernisches Historisches Museum, CC BY-SA 4.0 , via Wikimedia Commons
2021: Irrgarten als Zwischennutzung auf der Museumsbrache. Foto: Christine Moor, Bernisches Historisches Museum, CC BY-SA 4.0 , via Wikimedia Commons

Die Zwischennutzung von Brachflächen ermöglicht es, neue Dinge an teils ungewöhnlichen Orten zu schaffen. So ist es möglich, Teilhabe und Innovation in der Stadt zu stärken. Jedoch stecken manchmal auch Probleme hinter der Zwischennutzung – hier lesen Sie mehr.

Was ist Zwischennutzung?

Dicht besiedelte deutsche Städte wie Hamburg und München bieten wenig Raum für Kulturschaffende und Initiativgruppen. Denn der große Wettbewerb um Platz bedeutet, dass vorhandene Räume meist teuer oder bereits anderweitig reserviert sind.

Hier kommt die Zwischennutzung ins Spiel. Sie bezeichnet die zeitlich beschränkte Nutzung von Gebäuden und Flächen in der Stadt. Diese Übergangsnutzungen haben meist kein wirtschaftliches Ziel. Das Prinzip lautet vielmehr „günstiger Raum gegen befristete Nutzung“. Auch „Bewachung durch Bewohnung“ ist eines der Ziele der Zwischennutzung.

Dabei hat sich der Begriff der Zwischennutzung in den letzten Jahren verändert. Bis in die 1990er-Jahre waren Zwischennutzende oft nur halblegal vor Ort. Entsprechend wurde die temporäre Nutzung von Gebäuden als Besetzung gesehen. Daher hatte die Praxis der Zwischennutzung lange einen eher negativen Ruf. Inzwischen haben sich die Vorhaben jedoch zu einem bauplanerischen Instrument entwickelt. Somit ist die Zwischennutzung schon lange nicht mehr nur alternativ und informell, sondern manchmal nachhaltig und in anderen Fällen auch profitabel.

In jedem Fall bleibt die Zwischennutzung zeitlich begrenzt. Sie hat ein Pop-up-Prinzip. Meistens ist die Zwischennutzung symbiotisch: Die Nutzenden erhalten einen Raum zur Verwirklichung ihrer Ideen, während die Besitzenden Leerstand und Vandalismus vermeiden.

Wie sieht die Übergangsnutzung in der Praxis aus?

In der Praxis kann die Zwischennutzung viele unterschiedliche Formen annehmen. Am besten lassen sich die Flächen als Experimentierflächen beschreiben. Sowohl kommerzielle als auch nicht-kommerzielle Formate lassen sich im Rahmen der Zwischennutzung realisieren. Beispielsweise sind Pop-Up Stores, Ateliers, Ausstellungsräume, Werkstätten, Kultur- und Begegnungsorte, Cafés und Gärten denkbar.

Häufig handelt es sich bei der temporären Nutzung von Flächen oder Gewerbeeinheiten um ungewöhnliche Orte für das jeweilige Projekt. So ist es möglich, kreative Prozesse und Partizipation zu fördern. Denn an den Orten kommen unterschiedlichste Menschen zusammen. Diese können gemeinsam innovative Ideen umsetzen. Dadurch entsteht ein spannendes Miteinander, das unter anderem die Nachbarschaft stärken kann.

Projekte, die eine Zwischennutzung darstellen, lassen sich gut an ihrem temporären Charakter erkennen. Selbst Läden weisen darauf hin, dass es sich um ein Pop-Up handelt. Foodtrucks oder andere fliegende Verkäufer sind ebenfalls nur kurze Zeit an einem Ort zu finden. Brachflächen oder ungenutzte Parkplätze bieten sich dafür sehr gut an.

Seebrache-Garten von Grün Stadt Zürich, CC BY-SA 3.0 , via Wikimedia Commons
Seebrache-Garten von Grün Stadt Zürich, Irisk12 via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0

Welche Vorteile bietet die Übergangsnutzung?

Zwischennutzungen städtischer Flächen dienen dazu, Projekten und Initiativen den notwendigen Freiraum für Experimente zu geben. Häufig fallen nur die Betriebskosten als Miete an. Insbesondere für junge Projekte handelt es sich dabei um eine entscheidende Bedingung. Denn gerade in größeren Städten sind Flächen in zentraler Lage andernfalls unerschwinglich.

Oft kommt es vor, dass sich mehrere Initiativen einen Raum in zwischenzeitlicher Nutzung teilen. So entstehen Möglichkeiten zur Vernetzung und Synergie. Zudem bergen die Flächen ein großes innovatives Potenzial. Auch gesellschaftliche Vorteile wie etwa mehr Kunst oder neue Märkte in der Umgebung sind zu beobachten. Projekte, die derzeit noch nicht ökonomisch profitabel sind, erhalten an zentralen Orten dank Zwischennutzung viel Sichtbarkeit.

Für die Eigentümer*innen der Flächen reduziert die Zwischennutzung die Leerstandskosten. Da zumindest die Betriebskosten gedeckt sind, fallen keine Mehrkosten an. Die gesteigerte Aufmerksamkeit durch die Zwischennutzung kann für eine Imageaufwertung sorgen. Zugleich beugt die Praxis der Zwischennutzung Risiken wie Verfall und Vandalismus vor.

Ein weiterer Vorteil an der Zwischennutzung ist ihr hohes partizipatives Potenzial. Denn auf derartigen Flächen entsteht ein kontinuierlicher Prozess der Aushandlung und Anpassung. Unterschiedliche Gruppen wie Anwohner*innen, interessierte Bürger*innen und Initiativen können mit einsteigen und so die Zwischennutzung beeinflussen. Manchmal ist es dadurch sogar möglich, längerfristig neue Räume für die anwenderorientierte Nutzung zu erschließen.

Welche Kritik gibt es an Zwischennutzung?

Jedoch gibt es seitens verschiedener Stakeholder Kritik an der Übergangsnutzung von Flächen. Zum Beispiel stellt sich die Frage, was mit den Zwischennutzer*innen selbst passiert, sobald ihre Zeit abläuft. Zwar stellt der zwischengenutzte Raum eine Experimentierfläche dar, aber dies ist nicht immer ausreichend für eine selbstständige Zukunft. Auf der anderen Seite bietet die Zwischennutzung die Chance, ohne ruinöse Folgen zu scheitern. In einigen Fällen ergibt sich aus der Übergangsnutzung sogar ein langfristiges Mietverhältnis. Allerdings kann die Planungsunsicherheit auch zum Scheitern von Projekten und zur Selbstausbeutung von Künstler*innen beitragen.

Langfristig löst die Zwischennutzung das Problem der Raumknappheit nicht. Insbesondere für Künstler*innen und Experimentierfreudige bleibt es schwer, an geeignete Flächen zu kommen. Eine erfolgreiche Zwischennutzung sollte nicht nur als „Verwertungslücke“ dienen, sondern auch positive Folgen für die Nachbarschaft und die Projektverantwortlichen sowie für die Besitzer*innen haben.

Eine erfolgreiche Zwischennutzung kann wiederum zu Gentrifizierung führen, was häufig negativ bewertet wird. Dabei steigert die Immobilie ihren Wert. Die Nutzer*innen müssen häufig weichen, die Miet- und Kaufpreise der Umgebung steigen. In manchen strukturschwachen Regionen führt die Zwischennutzung zu einer Aufwertung und Belebung von Flächen. Aber in dicht besiedelten, teuren Städten kann sie experimentelle Initiativen und deren Betreiber*innen verdrängen.

Autohaus, Liebigstraße 201-203, Köln-Ehrenfeld. Ehemals Autohaus Levy, Zwischennutzung bis zum Abriss durch "Wandelwerk". Foto: © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons
Autohaus, Liebigstraße 201-203, Köln-Ehrenfeld. Ehemals Autohaus Levy, Zwischennutzung bis zum Abriss durch "Wandelwerk". Foto: © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

Beispiele für die zwischenzeitliche Nutzung von Stadträumen

Der Zenettiplatz in München wurde mehrere Jahre hintereinander zwischengenutzt. Als „Piazza Zenetti“ wird dieser Zwischenort, der sonst als Parkplatz dient, eine attraktive Anlaufstelle. Bepflanzung und Sitzgelegenheiten geben dem Platz neues Leben. Anwohner*innen und Passant*innen nutzen den Platz für soziale Begegnungen. Dabei entstehen Synergieeffekte, die dabei helfen, den Platz an die gewünschte Nutzung anzupassen.

In Jena ermöglicht die BLANK-Agentur für Zwischennutzung kreatives Miteinander an verschiedenen Orten in der Stadt. „Obwohl wir in Jena wenig strukturellen Leerstand haben, finden sich trotzdem ungehobene Potenziale oder langfristig leerstehende Räumlichkeiten, die mit temporären Lösungen wieder einer Nutzung zugeführt werden können“, erklärt Leiterin Katrin Hitziggrad während einer Fachtagung zum Thema Zwischennutzung im Juni 2022.

Testläufe für neue Läden, generationenübergreifende Gemeinschaftsgärten wie das „WirQuartier“ in Erfurt, eine Fahrradwerkstatt mit Café und Bar in einer alten Druckerei in Frankfurt am Main – die Beispiele für Zwischennutzung in Deutschland sind vielseitig.

In Jena gibt es mit der Kulturberatung eine begleitende Institution für Vereine, Initiativen und Kulturakteur*innen. Schon seit 2014 arbeitet die Kulturberatung Jena mit dem Dezernat für Stadtentwicklung, JenaKultur und der Zwischennutzungsagentur zusammen. So soll es gelingen, Strategien für langfristige Perspektiven zivilgesellschaftlicher Projekte zu entwickeln.

Mehr über Zwischennutzungen lesen Sie hier am Beispiel von Basel.

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