27.11.2022

Gesellschaft

Diesel-Fahrverbot in München

Die Stadt München führt ab Februar 2023 ein weitreichendes Diesel-Fahrverbot ein, dass die Nutzung sehr vieler, auch moderner, Diesel-Fahrzeuge kaum noch gestattet. Auch der Mittlere Ring ist betroffen.

Ein Diesel-Fahrverbot in München ist erstmal nicht neu. Durch die geltenden Umweltzonen und kaum Ausnahmeregelungen ist es vielen älteren Diesel-Fahrzeugen schon lange nicht mehr gestattet bestimmte Gebiete innerhalb der Stadt zu befahren.

Nun zieht die bayerische Landeshauptstadt München nach und verschärft das aktuelle Diesel-Fahrverbot drastisch. Während der Vorstellung eines sogenannten „Luftreinhalteplans“ wurde bekannt gegeben, dass Diesel-Fahrzeuge mit der Schadstoffklasse Euro 4 ab Anfang Februar 2023 nicht mehr in die Umweltzone fahren dürfen. Dies betrifft auch weite Teile des Mittleren Rings. Durch diese Maßnahme ist ein sehr großer Teil moderner Dieselfahrzeuge betroffen. Doch damit nicht genug. Falls sich die Luft-Situation nicht verbessern sollte, ist ab dem 1. Oktober 2023 auch Schluss für Fahrzeuge mit der Schadstoffklasse 5. Der Mittlere Ring zählt in Zukunft außerdem auch komplett zur Umweltzone. Damit ist die Hauptverkehrsader der Stadt für nahezu alle Diesel-Fahrzeuge nicht mehr befahrbar.

Das Diesel-Fahrverbot wurde Ende Oktober 2022 und damit nur wenige Monate vor Inkrafttreten der ersten Phase, beschlossen.


Diesel-Fahrverbot in München soll hohe Geldstrafe verhindern

Die zweite Bürgermeisterin Münchens Katrin Habenschaden (Grüne) sowie die Umweltreferentin Christine Kugler haben das Diesel-Fahrverbot mit Zustimmung der Rot-Grünen-Koalition und entgegen zahlreichen kritischen Stimmen aus Politik, Industrie und Bewohnervertretungen erarbeitet.

So wurde dass das Diesel-Fahrverbot in München im Oktober 2022, entgegen zahlreicher Widerstände, beschlossen. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) und die Sozialdemokraten stellten sich hinter den Vorstoß. Inzwischen wird öffentlich von möglichen Geldstrafen in Höhe von einer Millionen Euro pro Tag gesprochen.

Die CSU spricht von „politischer Arroganz“ und kritisiert den Vorschlag. Es geht der CSU allen voran darum, dass in Zeiten starker finanzieller Sorgen noch ein weiterer enormer Kostenfaktor auf viele Münchner zukommt. Außerdem könne sich nicht jeder ein neues Auto leisten und sehr viele der Fahrzeuge, die aufgrund des Diesel-Fahrverbots in München, weite Teile der Hauptverkehrsadern der Stadt nicht mehr nutzen können, seien keine zehn Jahre alt, so Stimmen aus der CSU. Es wird von einem „Schlag ins Gesicht“ vieler Münchner gesprochen.


Der Diesel ist nicht mehr erwünscht – eine kleine Historie

Wie kam es eigentlich zum Diesel-Fahrverbot in München? Laut der Koalition aus SPD und Grünen, kam es aufgrund dreier Klagen und dem daraus resultierenden Druck zum Diesel-Fahrverbot in der bayerischen Landeshauptstadt.

Drei der meistbefahrenen Orte der Stadt sollen die Stickstoffdioxid-Grenzwerte immer wieder deutlich überschreiten. Dabei handelt es sich um die Landshuter Allee, Tegernseer Landstraße und den Leuchtenbergring. Erlaubt sind lediglich 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft und dieser Wert soll in regelmäßigen Abständen überschritten worden sein. Nachdem bis 2021 der Freistaat Bayern für das Thema verantwortlich war und die für die Überschreitung fälligen Strafen zahlte, übertrug Bayern 2021 die Verantwortlichkeit auf die Stadt München. So war ab diesem Zeitpunkt die Stadt München offiziell die beklagte Partei. Angeblich sei eine Verurteilung nur mithilfe der nun vorgestellten Regeln zu vermeiden gewesen. Zumindest begründete Katrin Habenschaden (Grüne) dahingehend den drastischen Einschnitt.

Die Regeln sind in Zusammenarbeit mit der Deutschen Umwelthilfe (DUH) und dem ökologischen Verkehrsclub (VCD) entstanden. Beide waren mitunter für die Klagen wegen den Grenzwertüberschreitungen verantwortlich und einigten sich mit der Stadt auf einen Vergleich.

Ein wichtiges Detail ist allerdings die dritte Stufe des Plans. Angenommen die Grenzwerte werden bis zum 1. April 2024 nicht flächendeckend eingehalten, soll Stufe drei des Plans in Kraft treten. Dieser sieht vor, dass ein Großteil der Ausnahmen wegfallen und dementsprechend auch Anwohner und Lieferanten die Umweltzonen nicht mehr befahren dürfen.

Diesel-Fahrverbot in München. Wie es dazu kam... Photo by Scott Rodgerson on Unsplash

Tragweite des Diesel-Fahrverbots in München

Die politische Zustimmung für das Diesel-Fahrverbot in München schien von Beginn an gesichert. Außerdem geht man davon aus, dass nach der ersten Stufe im Februar auch Stufe zwei unweigerlich eintreten wird. Dementsprechend müssen nun alle Besitzer und Fahrer von Diesel-Fahrzeugen der Euro-Norm vier und fünf fürchten, ihr Fahrzeug in sehr naher Zukunft nicht mehr nutzen zu können. Selbst verhältnismäßig neue Diesel-Fahrzeuge mit der Norm fünf werden dementsprechend auch ausgeschlossen.

Man muss erwarten, dass bis zum ersten Oktober 2023 ungefähr 140.000 Diesel-Fahrzeuge nicht mehr auf dem Mittleren Ring und in der Innenstadt sowie alle Gebiete innerhalb des Rings fahren dürfen.

Bis Stufe drei in Kraft tritt werden Anwohner, Lieferverkehr sowie Parkausweis-Inhaber von dem Diesel-Fahrverbot ausgenommen. Das soll ungefähr 30.000 Menschen betreffen. Ab Stufe drei dürfen diese Menschen ihren Diesel allerdings auch nicht mehr in den genannten Gebieten bewegen.

Zum Leidwesen all dieser Menschen hat sich die Koalition anscheinend gerne auf das Diesel-Fahrverbot eingelassen. Laut SPD soll es weitreichende Ausnahmegenehmigungen für betroffene Menschen geben. Allerdings fallen diese ab Stufe drei weitestgehend weg. Die Kritik an diesem Schritt ist sehr groß und scheint von der Stadt nicht beachtet zu werden.


Die Rechnung zahlen andere – Pendler und restliche Münchner betroffen

2019 gab es laut Mobilitätsreferat der Stadt München 500.000 Fahrzeuge, die von außerhalb der Stadt, vermutlich meist aus beruflichen Gründen, ins Stadtgebiet München fuhren. Inzwischen könnten es deutlich mehr sein. Nicht erfasst ist natürlich, wohin diese Menschen wollten und wie viele der Autos Diesel-Fahrzeuge waren. Nachdem sich der Diesel-Motor bei allen, die weitere Strecken fahren allerdings sehr großer Beliebtheit erfreut und für Vielfahrer und Pendler auch die wirtschaftlichere Lösung im Vergleich zum Benziner oder Elektromotor darstellt, werden hier sehr viele Menschen negativ vom Diesel-Fahrverbot betroffen sein.

Eine Stadt grenzt somit nochmal mehr, als ohnehin bereits, die Bewohner des Speckgürtels und Metropolregion aus. Denn, in München gibt es seit sehr vielen Jahren eine immer schlechter werdende Abdeckung der öffentlichen Verkehrsmittel, wenn es um die Metropolregion geht. Die Ausfälle, mit denen Pendler täglich zu kämpfen haben, sorgen in der lokalen Presse schon seit langer Zeit für regelmäßige Schlagzeilen. Abgesehen davon sind die öffentlichen Verkehrsmittel Münchens heute schon vollkommen überlastet. Wenn man mit Pendlern spricht, steigen viele wieder auf das Diesel-Fahrzeug um, weil die öffentlichen Verkehrsmittel keine Lösung mehr darstellen. Das Diesel-Fahrverbot wird damit für Pendler vermutlich eine existenzielle Herausforderung werden, denn auch das Rad ist bei diesen Distanzen keine Alternative. Wer außerdem den Wohnungsmarkt der bayerischen Landeshauptstadt kennt, weiß, dass ein Umzug vom Ballungsraum ins Stadtgebiet für viele Menschen aller Einkommensschichten an eine Unmöglichkeit grenzt.

Doch nicht nur Pendler werden vom drohenden Diesel-Fahrverbot vor kaum lösbare Herausforderungen gestellt. Auch Bewohner der Stadt München, die jedoch nicht im inneren des Mittleren Rings leben, werden mit drastischen persönlichen Einschnitten konfrontiert. Zwar gibt es innerhalb der Stadt zahlreiche, teils auch reformierte Buslinien, doch wer München kennt, weiß, dass auch heute schon viele Busse mit Anhängern unterwegs sein müssen, um das Fahrgastaufkommen irgendwie und auch nur teilweise bewältigen zu können. Diese mit Anhänger versehenen Busse kommen an vielen Stellen innerhalb der Stadt kaum noch durch die Straßen, weil die Gefährte zu groß sind. Die daraus resultierende Gefahr für Radfahrer, Fußgänger und andere Verkehrsteilnehmer wurde auch schon an vielen Stellen in der Münchner Lokalpresse diskutiert. Die Tatsache im Münchner Stadtbereich zu leben, wird vermutlich nicht dauerhaft ausreichen, um einen der seltenen Gründe für Ausnahmeregelungen zu erfüllen.

Wer sich also vor kurzem ein Auto gekauft hat und dabei die Wahl auf einen Diesel gefallen ist, könnte in naher Zukunft vor dem Problem stehen, seinen neu erworbenen Wagen nicht mehr im Stadtgebiet bewegen zu können. Von den „großzügigen Ausnahmen“ merkt man aktuell und vor allem vor dem Drohen der Stufe drei des Plans nichts. Auch die Handwerkskammer München und Oberbayern kritisierte das Verbot stark und verwies auf den viel zu geringen zeitlichen Horizont.

Was tun, wenn der Diesel nicht mehr ist? Photo byJennifer Latuperisa-Andresen on unsplash

Ein konstruierter Feldzug mit vermeintlich grünem Ziel

Das Ziel die Luft wieder sauberer zu machen ist durchaus wünschenswert und vermutlich unterstützt das auch nahezu jeder der Betroffenen. Allerdings scheint diese Maßnahme doch sehr überzogen und durch die stufenweise Verschärfung des Plans kommt der Eindruck auf, dass das verdeckte aber eigentliche Ziel, nämlich die gänzliche Verbannung des Diesel, unausweichlich in die Zukunft Münchens eingewoben wird.

Aufgrund der Ausnahmeregelungen in Stufe eins und zwei wird sich vermutlich nicht ausreichend viel an der Luftqualität an den drei Hochbelastungsorten ändern. Damit rechnet die Stadt auch bereits, laut eigenen Angaben. Obwohl die Maßnahmen unzählige Menschen massiv an den Rand existenzieller Krisen treiben könnten, muss befürchtet werden, dass der Stadtregierung ab 2024 dann vermutlich nichts anderes mehr übrigbleiben wird, als Stufe drei in Kraft treten zu lassen. Auch dann wird man die Verantwortung für die negativen Auswirkungen auf die Menschen, wie heute auch schon, zurückweisen und versuchen unter einem vermeintlich grünen Vorwand das finale Verbot des Dieselmotors zu erwirken. All das durch einen Luftreinhaltungsplan, der nur zwei Jahre zuvor im Oktober 2022, beschlossen worden ist.

Eine der zahlreichen Auswirkungen könnte also sein, dass sich die regierenden Parteien und allen voran eine zweite Münchner Bürgermeisterin Habenschaden, die vermeintlichen Erfolge der Maßnahme auf die Fahne schreibt und keine Verantwortung für die zahllosen Menschen übernimmt, die hier vor Herausforderungen gestellt werden, mit denen nur sehr wohlhabende Bürger der Stadt und Metropolregion umgehen können werden. Ein neues Fahrzeug ist schließlich teuer und Elektroautos sind für Pendler oftmals keine Lösung. Vom Preis und der aktuellen Wartezeiten auf neue Fahrzeuge mal ganz abgesehen. Die Stadt München lässt seinen Bürgern im zu erwartenden Fall nur zwei Jahre Reaktionszeit.

Der Verdacht liegt also nahe, dass hier nicht mal mehr Klientelpolitik betrieben wird, sondern vor dem Hintergrund schlechter Luft (die eventuell auch nicht vordergründig von modernen Dieselfahrzeugen derartig verschmutzt wird), ein persönlicher Feldzug gegen die freie Wirtschaft, andere politische Parteien und leider auf Kosten der Bürger geführt wird, der mehr mit politischer Vergangenheitsbewältigung als wirklicher Verkehrswende und Klimaschutz zu tun haben könnte. Zumindest wurde seitens der Stadt kaum Spielraum für eine öffentliche Diskussion oder alternative Lösungsüberlegungen geschaffen. Die überraschend rasende Geschwindigkeit, mit der so ein Diesel-Fahrverbot in München durchgesetzt wurde, könnte in anderen politischen Entscheidungsprozessen durchaus auch hilfreich sein. Hier geht es aber offensichtlich weniger um die Bewohner der Stadt als um das zur Schau stellen politischer Dominanz und das präventive Aushebeln anderer Argumente und Lösungsansätze.


Versuch einer Abrundung

Es muss sicher das Ziel sein, weniger Autos in der Stadt zu haben. Es muss das Ziel sein den entschleunigten und sicheren Verkehr zu fördern und natürlich muss es das Ziel sein, überall saubere Luft zu atmen. Doch wir merken hier leider wieder mal, dass eine Klimawende, ohne den Menschen im Fokus zu halten, nicht funktionieren wird.

Das Diesel-Fahrverbot in München hinterlässt den Eindruck einer unüberlegten und sozial nicht vertretbaren Maßnahme. Es scheint, als ob man mithilfe verschiedener Stufen und vermeintlich großzügiger Ausnahmeregelungen innerhalb kürzester Zeit ein totales Verbot des Diesel im privaten und mittelständischen Bereich durchdrücken möchte. Leider schmeckt dieser Eindruck stark nach pseudo Klimaschutz und Greenwashing. Die Taktik funktioniert auf Bundesebene für einige Parteivertreter in Regierungsverantwortung ja auch ganz gut.

Es bleibt abzuwarten, ob das alle betroffenen Parteien und Gruppen so einfach mit sich machen lassen und ob eine solche Vorschrift mithilfe demokratischer Rechtswege nicht doch noch gekippt werden kann. Der Ausschluss so vieler Menschen und der kaum zu bezifferndem Schaden und Verlust von Wert, der hier entstehen würde, sollte nicht so unbeachtet links liegen gelassen werden, wie es die Stadt München unter fragwürdigem Vorwand gerade versucht.

Es sei an dieser Stelle nochmal erwähnt, dass es definitiv wichtig ist, für saubere Luft zu sorgen. Die Klimakrise ist definitiv eine der schwerwiegendsten Krisen, mit denen die Menschheit aktuell zu kämpfen hat und jede Maßnahme, die dazu führt, dass der Umwelt weniger Schaden zugefügt wird, ist begrüßenswert. Allerdings darf das nicht zu Lasten der Menschen passieren, die sich Klimaschutz schon ohnehin kaum leisten können. Verzicht kann nicht die Lösung sein. Es ist, politisch motiviert, teuer das Klima zu schützen und ein nachhaltiger Lebensstil scheint nur jenen vorbehalten zu sein, die Verzichten wollen oder sich Alternativen leisten können. Das Diesel-Fahrverbot in München ist wieder ein perfektes Beispiel für fragwürdige politische Entscheidungen und Maßnahmen, die scheinbar weitestgehend im Verborgenen erzwungen werden.

Offen und nach wie vor unbeantwortet bleibt im Übrigen die Frage nach der Umsetzung. Euro 6d-Diesel tragen beispielsweise auch eine grüne Plakette mit der Zahl 4. Wie will man also zwischen einem Euro 4 und einem Euro 6d-Diesel unterscheiden? Und wer wird dafür zuständig sein? Vielleicht löst sich das Thema dadurch ja ohnehin, weil es nicht umgesetzt werden kann. Wir werden sehen.

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