Für Roth bei Nürnberg schreitet das größte Städtebauprojekt der letzten Jahrzehnte voran. Es handelt sich hierbei um die Konversion des stillgelegten Leoni-Fabrikgeländes in das sogenannte Rother Neuland. Dafür lobte die Stadt dieses Jahr einen städtebaulichen und freiraumplanerischen Realisierungswettbewerb aus. Jetzt stehen der Siegerentwurf fest.
KlimaQuartier statt Fabrikgelände
Her mit der Transformation vom brachen Industriestandort zum lebendigen Zukunftsquartier Rother Neuland! Für dieses Vorhaben wird Roth seit 2022 durch das Bayerische Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr innerhalb „Landstadt Bayern“ gefördert. Des Weiteren gab es Anfang diesen Jahres eine enthusiastisch aufgenommene Büger*innenbeteiligung. Dabei kristallisierten sich die wichtigsten Themen heraus, zum Beispiel Mobilität und Ökologie. Darüber hinaus hat das Gelände eine besondere Lage. Es befindet sich im Stadtzentrum. Mit sieben Hektar liegt es außerdem zwischen Bahnhof und Marktplatz sowie an zwei Fließgewässern. Jetzt ging das Team um SCHIRMER Architekten + Stadtplaner, planetz Architektenpartnerschaft und deBuhr LA Landschaftsarchitektur als Sieger hervor. Wie überzeugte also der Entwurf „klimaPARKquartier“?
Städtebauliche Struktur und Flexibilität
Die Gebietsentwicklung des Rother Neulands wird über einen langen Zeitraum erfolgen. Deshalb ist die Grundstruktur robust. Aber es wird ausreichend flexiblen Entwicklungsspielraum geben. Die Jury lobte dabei die angemessen dichte, bauliche Struktur. Richtung Innenstadt präsentiert sich das Viertel mit urbaner Atmosphäre aus gefassten Räumen und Blockstrukturen. Die angrenzenden Wohnhöfe haben dagegen einen Gartenstadt-Charakter. Im Nordosten liegt ein großzügiges, freiräumliches Entree.
Grünstruktur
Das Privatgelände wird zum öffentlichen Landschaftspark. Das Konzept des Rother Neulands sieht eine Bebauung in der Grundstücksmitte vor. Dafür wird es in ein breites, durchgehendes Landschaftsband eingebettet. Durch räumliche und visuelle Bezüge erhalten das Schloss, die Kulturfabrik und Fließgewässer so neue Wertigkeit im Stadtgefüge. Anstelle einer Zäsur gibt es nun eine Verbindung zwischen der Stadt, der Rednitzinsel und den umgebenden Landschaftsräumen. Der Entwurf führt dabei die bestehenden ökologisch und erholungstechnisch wertvollen Landschaftsstrukturen fort. „Mit den großzügigen Grünräumen und zusätzlichen Baumpflanzungen wird ein sehr guter Beitrag zur klimatischen Verbesserung der umliegenden Stadtquartiere geschaffen“ sagte das Preisgericht. Auch der Luftaustausch wird berücksichtigt. Die Wiesen sind gleichzeitig Überschwemmungszonen und die Belagsflächen dränfähig. Künftig interessant wird der detailliertere Umgang mit dem oberflächennahen Grundwasser. Auch das Thema Altlasten bereitet allen Beteiligten Sorgen.
Identität und Ressourcenschutz
Neben den Naturräumen bleibt auch die bauliche Geschichte des Ortes ablesbar. Zur Identitätsstiftung des Rother Neulands werden dafür Teile der Bausubstanz erhalten (zum Beispiel Drei-Bogenhalle, Pförtnerhaus). Deren Integration erhält aber nicht nur den Charakter des Ortes. So lässt sich auch die graue Energie nutzen.
Nutzungsmischung
Ein lebendiges Stadtquartier braucht Nutzungsmix. Um Arbeiten und Wohnen näher zu bringen plant das Siegerteam zum einen emissionsarme Produktionsprozesse und digitalisierte Arbeitsformen. Zum anderen schaffen sie soziale und kulturelle Angebote im Rother Neuland.
Mobilität
Einen weiteren vorbildlichen Umgang mit Ressourcen sieht man im nachhaltigen Erschließungskonzept. Die Infrastruktur baut nämlich auf dem Bestand auf. Dazu wird ein autofreies bzw. autoarmes Stadtquartier geschaffen. Hierfür plant man am Quartierseingang eine Großgarage als Mobilitätszentrale. Dagegen werden im Quartiersinneren der ÖPNV, Mobilitätsstationen und Sharing-Angebote ausgebaut. Außerdem schafft der Entwurf eine große innere Durchwegung und Verknüpfung mit der Umgebung.
Weiteres Vorgehen
Die sieben Wettbewerbsergebnisse sind bis zum 28. Juli 2023 in der Kulturfabrik Roths ausgestellt. Der Stadtrat beauftragte bereits das Planungsteam mit der Fortschreibung des Entwurfs. Die Ergebnisse aus einer Online-Umfrage im Rahmen von „Landstadt Bayern“ müssen dabei im weiteren Planungsprozess berücksichtigt werden.
Auch in einem ehemaligen Industriegebiet findet das „Quartier der tanzenden Paare“ in der Schweiz auf dem Erni-Areal Platz. Das Besondere: Studio Vulkan gestalten zusammen mit KCAP einen Raum in der Siedlung nach dem Schwammstadt-Prinzip.