04.05.2016

Projekt

Superkilen: Hinter dem Hype

von Bianca Hermansen and Sophia Schuff, CITITEK
der Platz ist leer und trostlos. Foto: Bianca Hermannsen

Wohl kaum ein Projekt hat in den vergangenen Jahren so öffentlichkeitswirksame Bilder produziert wie der Superkilen in Kopenhagen. Sein auffälliges Design machte ihn weltweit bekannt – ein Design, das Nutzer aus verschiedenen Kulturen und Milieus zusammenführen sollte. Aber: Funktioniert das? Studenten am Danish Institute for Study Abroad haben hingeschaut.

So erstrahlte der Rote Platz des Superkilen noch zur Eröffnung... Foto: BIG
... Ende 2015 ist klar: Die berühmte Farbe ist passé, der Platz ist leer und trostlos. Foto: Bianca Hermannsen
Die Schaukeln sind eins der wenigen Elemente, die auf dem Platz genutzt werden. Foto: Torben Eskerod
Auch das restliche Mobiliar zeigt Abnutzungsspuren. Foto: Torben Eskerod
Auf dem Roten Platz und dem Grauen Markt sind nur wenige Bäume und Grünflächen zu finden. Foto: Iwan Baan
Die großen Flächen des Platzes bieten kaum Schutz vor Wind und Wetter. Foto: BIG
Selbst die "integrativen" Artefakte schaffen nicht, die Bewohner auf den Platz zu bekommen. Foto: Mike Magnussen
Der Superkilen teilt sich in den Roten Platz, den Grauen Markt und den grünen Park. Foto: Iwan Baan

Kopenhagen wurde im Rahmen der „Quality of Life Survey” des Monocle Magazins schon drei Mal als lebenswerteste Stadt der Welt ausgezeichnet. 2014 war die dänische Hauptstadt noch dazu „European Green Capital“. Kopenhagen ist bekannt für ihren Hafen, der so sauberes Wasser hat, dass man in ihm schwimmen kann, für seinen ehrgeizigen Plan, bis 2015 klimaneutral zu werden, und für die Tatsache, dass es hier mehr Fahrräder als Menschen gibt. Der Municipal Plan von 2011 fasst das so zusammen: Kopenhagen ist ein „Ort, an dem man sich zu Hause fühlt, seinen Nachbarn vertraut und an der Gemeinschaft teilnimmt.“

Jedes Semester kommen über 1.000 amerikanische Studenten für ein Auslandssemester an das Danish Institute for Study Abroad in Kopenhagen. 25 von ihnen beschäftigen sich im Seminar „Strategies for Urban Livability” damit, ob, wie und warum Kopenhagen wirklich lebenswert ist. Die Stadt dient als urbanes Labor, in dem die Studenten Werkzeuge für eine lebenswerte Stadt entwickeln.

Um dieses Toolkit zu erarbeiten, lernen die Studenten, politische Absichten und Designstrategien zu erkennen und zu analysieren. Qualitative und quantitative Daten über Kopenhagens öffentliche Räume helfen zu verstehen, ob diese so funktionieren wie vorgesehen. Einer für die Analysen am häufigsten gewählten Orte ist der Superkilen im Stadtteil Nørrebro.

Ein Areal für alle

Nørrebro ist als traditionelles Arbeiterviertel eine von Kopenhagens sozial, wirtschaftlich und kulturell vielfältigsten, aber auch fragilsten Nachbarschaften. Das durchschnittliche Einkommen der Einwohner liegt 100.000 Dänische Kronen unter dem der Bewohner im angrenzenden Frederiksberg, die Lebenserwartung ist drei Jahre geringer. 2009 waren 27 Prozent der Menschen hier entweder Einwanderer oder Nachkommen von Einwanderern. Mehr als die Hälfte von ihnen stammt aus muslimischen Ländern. Im Quartier Mjølnerparken in der Nähe des Superkilen war von den 2.000 Menschen, die dort leben, fast die Hälfte arbeitslos.

Während die Integrationspolitik auf nationaler Ebene als gescheitert gelten muss, hat Kopenhagens Stadtrat auf religiöse, kulturelle, wirtschaftliche und ethnische Vielfalt gesetzt. Um ein friedliches Miteinander zu erreichen, sollen benachteiligte Gebiete an das wirtschaftliche, kulturelle und soziale Niveau der Stadt angepasst werden – nicht zuletzt mit Hilfe städtebaulicher Strategien. Eines der vielen geförderten Stadterneuerungsprojekten war der Superkilen. Es wurde von der Stadt in Zusammenarbeit mit der privaten Stadtentwicklungsgesellschaft Realdania realisiert. Entstehen sollte ein Stadtpark, der soziale Integration in Nørrebro fördert und das Gebiet neu belebt, indem er eine globale Identität schafft.

Topotek 1, Bjarke Ingels Group (BIG) und Superflex, eine dänischen Künstlergruppe, gewannen die städtische Ausschreibung als Team und eröffneten im Jahr 2012 schließlich den Superkilen: Kern des Entwurfs sind Artefakte, die für die Nationalitäten in Nørrebro stehen. Sie spiegeln die internationale Identität des Stadtteils wider. Bei der Auswahl der Artefakte sprachen die Planer intensiv mit den Bewohnern. Eine App bietet die Möglichkeit, sich über jedes Artefakt zu infor­mieren.

Designtheorie versus Realität

Der Superkilen geht konzeptionell alle Themen an, die für einen qualitativ hochwertigen öffentlichen Raum entscheidend sind. Allerdings: Der Prozess begann unter einer falschen Annahme. Man ging davon aus, dass man ein Areal für alle erzeugen kann, indem man Arte­fakte platziert, die die Nationalitäten der lokalen Bevölkerung repräsentieren. Die Annahme, Aneignung finde automatisch statt wenn die Öffentlichkeit im Designprozess integriert ist, ist jedoch weit verbreitet. Sie ignoriert allerdings, dass Menschen eher durch langfristiges Engagement beginnen, Verantwortung zu übernehmen und Akteure ihrer eigenen Gemeinschaft zu werden. Kurzfristige Beteiligung ist weniger relevant.

Auf Basis der Daten und Beobachtungen, die unsere Studenten erfassten, haben wir vier Faktoren herausgearbeitet. Sie sollen greifbar machen, inwiefern der Superkilen seinen ursprünglichen Zielen gerecht wird – oder eben auch nicht. Es geht um vier Aspekte: die Benutzergruppen-Vielfalt, die Beschäftigungsmöglichkeiten des Superkilen, das lokale Wetter und ein ausbalanciertes Verhältnis der Grün­flächen. […]

Warum genau der Superkilen die Ziele des Konzepts nicht erreicht, lesen Sie in Garten+Landschaft 05/2016 – Der Platz, das Gefühl und wir.

Superkilen, Kopenhagen
Auftraggeber: Stadt Kopenhagen, Realdania
Landschafts­architektur: Topotek 1, Berlin Architektur Bjarke Ingels Group, Kopenhagen
Weitere Beteiligte: 3Superflex, Help PR & Communication, Lemming & Eriksson
Fläche: 33.000 Quadratmeter
Fertigstellung: 2012

Wie BIG zusammen mit den Anwohnern in deren Herkunftsländer reist, um Artefakte für den Superkilen auszuwählen, sehen Sie hier im Video.
Robert Schäfer besuchte den Superkilen 2012, direkt nach der Eröffnung. Seine Kritik zum neuen Stadtplatz in Kopenhagen lesen Sie hier.
Warum Co-Creation ein besseres Planungsinstrument für den Superkilen gewesen wäre lesen Sie hier.

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