Wirkungskraft von Renderings
„Der grüne Ring am Plan hat einfach keine Bedeutung – selbst für Leute, die Pläne lesen können. Eine geschlossene Kubatur kann man auch im Grundriss erfassen, aber einen Baum – in den unterschiedlichsten Erscheinungsformen, und mit all seinen Qualitäten – da tun sich viele sehr schwer“, sagt Daniel Zimmermann. Er hat bereits vor über 20 Jahren das Büro 3:0 mitbegründet und in dieser Position die Entwicklung der Präsentationsmethoden in all den Jahren mitverfolgt.
Für ihn liegen die Vorzüge von Visualisierungen auf der Hand: „Gerade in partizipativen Prozessen können starke Renderings viel bewirken. Wir wollen ja mit Menschen kommunizieren, die kaum oder keine Pläne lesen können. Außerdem haben wir die Erfahrung gemacht, dass wir dadurch die zeitlichen Perspektiven besonders gut veranschaulichen können. Landschaftsarchitektonische Projekte enden nicht einfach mit einer ‚Schlüsselübergabe‘. Wir können allen Beteiligten zeigen, wie unser Projekt in fünf, zehn oder fünfzig Jahren aussieht.“ Ein wichtiger Aspekt, gerade wenn man bedenkt, dass Visualisierungen immer perfekt, ja, der Realität zum Verwechseln ähnlich werden. Der Enttäuschung, dass das Projekt bei der Eröffnung noch nicht so aussieht wie präsentiert, kann man so zuvorkommen.
Visualisierungen als „Green Washing“
„Aber Visualisierungen sind kein reines Präsentationswerkzeug mehr. Wir entwickeln schon hauptsächlich in 3D. Für uns bringt es eine schnelle gestalterische Rückmeldung, und wir sehen die Vorzüge in den disziplinübergreifenden Projekten. Gerade im Straßenraum, wenn man mit dem Bestand, mit Verkehrsplaner*innen und Klimatolog*innen Hand in Hand arbeitet, ist der Schritt in die dritte Dimension besonders wichtig. So können wir uns sehr schnell und für alle verständlich ansehen, ob die unterschiedlichen Maßnahmen einen ganzheitlichen Effekt haben.“ Auch Zimmermann ist der Meinung, dass man, gerade wenn man im öffentlichen Raum plant, nie davor gefeit ist, zum PR-Spielball eines Wahlkampfs zu werden.
Ein größeres Problem sieht er aber an anderer Stelle: „Luxusimmobilien-Magazine kann ich mir nicht mehr ansehen. Das ‚Green Washing‘, dass in dieser Szene über Visualisierungen betrieben wird, grenzt an Betrug. Natürlich, als Landschaftsarchitekt sehe ich diese Bilder und weiß, dass diese Fassade in dieser Form nicht begrünbar ist. Dass die Pflanzen nicht anwachsen werden oder der Baum wegen der Tiefgarage dort gar nicht stehen kann. Als Laie sieht man nur den schönen grünen künftigen Wohnraum, den es aber so nie geben wird.“
Naschmarkt Wien: Zurück in die Zukunft
Natürlich könnte auch mit den Visualisierungen des Parks am Naschmarkt ein „Green Washing“ betrieben werden. Feststellen lässt sich dies zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Sicher ist aber: Die Visualisierungen sind nicht nur grün und atmosphärisch schön, sondern auch fachlich fundiert und mit gestalterischem Anspruch. „Das Konzept, die Wegeführung, aber auch die Wasserflächen sollen bewusst machen, dass man hier genau über dem Wienfluss steht. Der heutige Parkplatz ist ja nichts anderes als ein Deckel auf diesem sehr stark regulierten Fluss. Durch die Bepflanzungshügel könnten wir aber dennoch kleinere Bäume und Sträucher setzen, und es ist ein öffentlicher Park für alle Altersgruppen, mit Aufenthaltsmöglichkeiten ohne Konsumzwang entstanden.“
Der fachliche Anspruch an Visualisierungen scheint sich bezahlt zu machen. So ist ein Video einer Oppositionspartei, in dem die Behauptung aufgestellt wurde, dass dieser Deckel nicht zu begrünen sei, schon wieder aus dem Netz verschwunden. Aber selbst, wenn die Grünen mit ihrer Petition Erfolg haben sollten, wird der Entwurf in dieser Form wohl nicht umgesetzt werden. Ein ausgeschriebener Wettbewerb ist bei einem öffentlichen Projekt verpflichtend. Wie es konkret an diesem Platz weiter geht, ist also offen.
Mögliche Kennzeichnung von Visualisierungen
Ebenso offen ist, wie sich Visualisierungen selbst und ihr Einsatz in der Landschaftsarchitektur künftig weiterentwickeln werden. Den Vorschlag, dass Visualisierungen – ähnlich wie Werbeanzeigen – verpflichtend gekennzeichnet werden könnten, finden alle Gesprächspartner*innen sinnvoll. In diesem Fall würden die Credits für die Qualität haften. In der Zwischenzeit muss man sich als Stadtbewohner*in und Medienkonsument*in aber wohl daran gewöhnen, dass Visualisierungen ebenso konkrete Vorschläge als auch populistische „Fake News“ sein können. Vorrangig sind sie aber eines: wertvolle Präsentationsmöglichkeit der Landschaftsarchitektur, die manchmal sogar eine grüne Zukunft vorwegnehmen.
Mehr Projekte und News aus der österreichischen Hauptstadt: Mit einer begrünten Fassade und luftig sowie mit gemischter Nutzung präsentiert sich der neue IKEA Wien von Querkraft Architekten. Des weiteren gewann Wien vor kurzem den Lee-Kuan-Yew World City Preis 2020. Zudem ging es in der Februarausgabe 2022 der G+L um Landschaftsarchitektur und Stadtplanung in Österreich. Was genau wir uns dabei angesehen haben, erfahren Sie im Editorial von Chefredakteurin Theresa Ramisch.