Der demografische Wandel ist eine der zentralen Herausforderungen für Deutschlands Stadtplanung. Was viele dabei vergessen: Der demografische Wandel ist nicht allein mit Überalterung gleichzusetzen. Vielmehr definiert er sich durch eine Vielzahl von Veränderungen in unserer Bevölkerungsstruktur – unter anderem durch die Größe der privaten Haushalte. Also: Wie viele Menschen wie und wo zusammenwohnen. Das BBSR, das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung, stellte im Mai 2021 die Ergebnisse der jüngsten Haushaltsprognose vor. Demnach nehmen bis zum Jahr 2040 die Zahl der Singlehaushalte weiter zu. Was bedeutet das für Deutschlands Stadtplanung?
Singlehaushalte wachsen auf 19,3 Millionen
Die Folgen und Herausforderungen des demografischen Wandels haben wir in der Stadt Spezial-Reihe 2021 der Garten + Landschaft rauf und runter diskutiert. Thema der ersten Ausgabe war „Städtewachstum“, während die zweite Ausgabe die Zukunft des ländlichen Raums untersuchte. Die dritte Ausgabe, die Juniausgabe 2021, analysierte wie wir als Planer*innen mit dem zunehmenden Lebenskonzepten umgehen – und das anhand der LGBTIQ-Community. Queere Lebenskonzepte stehen in dieser Ausgabe stellvertretend für die zunehmende Vielfalt in unseren Städten.
Was uns die Juniausgabe 2021 vor Augen führt, ist, dass die alternativen Lebensformen allgemein – weit über gleichgeschlechtliche Partnerschaften hinaus – zunehmen. Die klassischen Rollen- oder Familienbilder werden aufgebrochen. Zahlen und Fakten bestätigen das. So gingen laut dem Bundesamt für Statistik in den letzten 50 Jahren die Eheschließungen in Deutschland zurück. Paare heirateten im höheren Alter, und die Ehen, in denen einer und eine schon mal verheiratet war, auch die nahmen nachweislich zu. Aber ebenso die aktuellen Zahlen des Bundesamtes für Statistik zu der Entwicklung der einzelnen Haushalte bestätigten die demografischen Veränderungen. So sollen laut der letzten Prognose bis 2040 die Zahl der Einpersonenhaushalte von 17,3 Millionen im Jahr 2018 auf 19,3 Millionen wachsen. Als Gründe hierfür werden der Rückgang von Eheschließungen sowie Geburten angeführt. Zudem würde laut dem Bundesamt hier reinspielen, dass zunehmend mehr Paare getrennt und mehr und mehr Senior*innen alleine leben würden.
Knapp die Hälfte aller Haushalte aktuell Singlehaushalte
Nun legte das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) am 27. Mai 2021 gesondert die Ergebnisse der jüngsten Haushaltsprognose für 2040 vor. Diese macht deutlich: Die Zahl der Singlehaushalte wird bis zum Jahr 2040 weiter steigen – und dass, obwohl die Bevölkerungszahl insgesamt leicht abnimmt. So sollen laut der Haushaltsprognose 2040 des BBSR die Zahl der kleinen Haushalte bis 2040 um 3,8 Prozent auf insgesamt 33 Millionen zunehmen. Als kleine Haushalte werden dabei die Haushalte mit ein bis zwei Personen definiert. Die Zahl der großen Haushalte – mit drei oder mehr Personen – soll wiederum um 6,4 Prozent auf 9,6 Millionen Haushalte sinken.
Jedoch bereits zum Zeitpunkt 2021 sind Einpersonenhaushalte die häufigste Haushaltsform in Deutschland. Im Jahr 2019 verzeichnete das Statistische Bundesamt insgesamt 17,6 Millionen Singlehaushalte. Das entspricht einem Anteil von 42 Prozent. Dieser Anteil wiederum wird sich laut den BBSR-Berechnungen bis ins Jahr 2040 auf 44 Prozent erhöhen.
Singlehaushalte & Stadtplanung
Im offiziellen Statement sagt BBSR-Leiter Markus Eltges hierzu, dass der Anstieg von kleinen Haushalten die Wohnungsnachfrage und das -angebot verändere. Man bräuchte nun viele kleinere Wohnungen für ein und zwei Personen. Zusätzlich würden immer mehr ältere Menschen alleine leben. Markus Eltges prognostiziert auch eine erhöhte Nachfrage nach mehr barrierefreien Wohnungen in Neubau und Bestand. Gleichzeitig werden laut ihm die haushaltsnahen Pflege- und Gesundheitsdienstleistungen mehr gefragt sein. In Stadt und Land bräuchte es zudem mehr soziale Angebote. Zudem betont er das Bedürfnis nach stärkeren Netzwerke in den Nachbarschaften, um den alleinlebenden Menschen ein Angebot gegen die Vereinsamung unterbreiten zu können.
Demografischer Wandel ist nicht gleich Überalterung
Im Gespräch mit Nina Schuster in der Juniausgabe 2021 der G+L bestätigt die Soziologin, dass sich die Herausforderungen des demografischen Wandels nicht allein auf Geburten, Sterbefälle und Wanderungssaldo reduzieren lassen. Nina Schuster forscht und lehrt an der TU Dortmund zu queeren und feministischen Raumtheorien, Intersektionalität sowie zur sozialen Ungleichheit. Sie sieht ein essenzielles Problem darin, dass viele Planer*innen den demografischen Wandel mit Überalterung gleichsetzen. Dabei würden diese vergessen, dass sie Räume für Menschen mit sehr unterschiedlichen Bedürfnissen gestalten würden.
Planung muss sich Unterschiedlichkeit bewusst machen
Die Stadtplanung hätte die Tendenz, in Entwürfen von eigenen, oftmals heteronormativen Bedürfnissen auszugehen. Aber die Welt würde sich verändern und damit auch die Raumansprüche der Menschen in Deutschland, so Nina Schuster. Hätte die Soziologin einen Wunsch bei den deutschen Stadtplanungsämtern frei, dann würde sie sich wünschen, dass man sich dort nochmal der Unterschiedlichkeit der Menschen bewusst mache.
Zum Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung
Die Haushaltsprognose des Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung ist Teil der Raumordnungsprognose 2040, die das BBSR im März 2021 vorstellte. Diese analysiert wie sich die Bevölkerungs-, Haushalts- und Erwerbspersonenzahlen deutschlandweit und nach Regionen zugeordnet bis 2040 ändern werden.
Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung beschäftigt sich mit den Themen Bauen, Wohnen, Städtebau und Stadtentwicklungspolitik sowie Raumordnung und Raumentwicklungspolitik. Mit insgesamt 200 Planstellen unterstützt das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung als Ressortforschungseinrichtung das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat sowie andere Ressorts durch Forschungs- und Entwicklungsleistungen.