29.08.2023

Projekt

Into the wild – Entwurfsstudio zum Volkspark Prenzlauer Berg

Blick auf einen Kurve eines betonierten Wegs, der in einem dicht bewachsenen Wald einen Hügel hinaufführt. Im Wintersemester 2022/23 setzten sich Masterstudierende der TU Berlin mit dem Volkspark Prenzlauer Berg in Berlin auseinander. Foto: Stefan Reimann
Im Wintersemester 2022/23 setzten sich Masterstudierende der TU Berlin mit dem Volkspark Prenzlauer Berg in Berlin auseinander. Foto: Stefan Reimann

Der Volkspark Prenzlauer Berg in Berlin entstand auf dem Trümmerschutt des Alexanderplatzes. Nur wenige Menschen verirren sich heute mehr in das Dickicht des wild erscheinenden Parks – für zahlreiche Wildtiere ist er ein wertvoller Lebensraum. Im Wintersemester 2022/23 setzten sich Masterstudierende der Landschaftsarchitektur und Umweltplanung der TU Berlin in einem Entwurfsstudio mit dem Park auseinander. Professor Stefan Reimann, der das Studio gemeinsam mit Professorin Barbara Hutter leitete, führt in den Hintergrund der Studienarbeiten ein.

Nicht nur in unserer Septemberausgabe 2023 machen wir Raum für Projekte aus dem Studium. Auch hier, auf unserer Webseite, stellen Studierende ihre eigenen Arbeiten selbst vor. Die Projekte finden Sie alle auf unserer Themenseite „Studium“ – und die Septemberausgabe gibt’s in unserem Shop.


Volkspark Prenzlauer Berg – Ein Park auf Trümmerschutt

Der Volkspark Prenzlauer Berg ist eine 29 Hektar große Parkanlage am östlichen Rand des Bezirks Pankow von Berlin – entstanden aus der früheren Oderbruchkippe. Mit diesem setzte sich eine Gruppe von 14 Masterstudierenden der TU Berlin am Institut für Landschaftsarchitektur und Umweltplanung (ILAUP), Fachgebiet Landschaftsbau/Objektbau (FG-LOB), auseinander. Das Entwurfsstudio „Into the wild“ fand unter der Leitung von Professorin Barbara Hutter und Professor Stefan Reimann im Wintersemester 2022/23 statt.

Den westlichen Teil des Parks bildet ein Trümmerberg-Doppelgipfel, der an der höchsten Stelle circa 90 Meter über dem Niveau der umgebenden Stadtquartiere aufragt. Ursprünglich entstanden hier, mit dem industriellen Aufschwung Berlins, ab 1871 Kleingärten und Einfamilienhäuser. Nach 1945, mit dem beginnenden Wiederaufbau, wurde der Trümmerschutt des Alexanderplatzes dort aufgebracht. So entstand die sogenannte „Oderbruchkippe“ aus rund 15 Millionen Kubikmeter Abraum. Auf dem so neumodellierten Gelände wurde Oberboden aufgetragen und Rasen angesät. Pioniergehölze (Pappeln, Eschen, Ahorn, Robinien, Weiden) wurden großflächig angepflanzt, später durch hochwertigere Bäume ergänzt.

Blick auf einen Weg in einem dicht bewachsenen Wald, am rechten Wegesrand liegt ein Einkaufswagen, die Bäume werfen Schatten auf den Weg. Volkspark Prenzlauer Berg, Foto: Stefan Reimann
Blick in eine weite, flache Landschaft, mit gelblichem Gras bewachsen, rechts vorne führt ein betonierter Weg vorbei, an der Wiese steht eine Bank. Volkspark Prenzlauer Berg, Foto: Stefan Reimann
Volkspark Prenzlauer Berg in Berlin, Fotos: Stefan Reimann

Der Handlungsbedarf ist bekannt

1969 wurde der Park feierlich eingeweiht. In Folge entstand ein waldartiges Biotop mit 60 Prozent Gehölzanteil und 40 Prozent Wiesenflächen. Seit 1971 gibt es dort einen botanischen Lehrpfad, ab1979 gab es ein Feuchtbiotop (mittlerweile verlandet) und einen Abenteuerspielplatz (auch dieser nicht mehr existent). Ein Rodelhügel verblieb als schlichtes Nutzungsrelikt, Sandbienen siedelten sich dort in den Randbereichen an. Mit 57 Vogelarten und zahlreichen anderen Wildtieren ist er ein wertvoller Lebensraum.

Der Volkspark Prenzlauer Berg besticht – sommers wie winters – durch seine wilde, unprätentiöse, raue, aber atmosphärische Gestalt. Nur wenige Menschen verirren sich in das beindruckende Dickicht oder die hochgelegenen Wiesenplateaus. Die dichte Vegetation erlaubt keine Blickbezüge in die Umgebung. Der poröse Untergrund des Trümmerschutts lässt die Bäume im Sommer ausgedörrt, unter der zunehmenden Trockenheit leidend erscheinen. Totholz wird nicht entfernt, sondern dezidiert vor Ort belassen, zur Freude der Fauna, die Verkehrssicherheit gerade ausreichend sichergestellt. Die asphaltierten Wege sind teils aufgebrochen, sie heben und senken sich wellenförmig durch den Wurzeldruck der Bäume. Die karge, heruntergekommene Ausstattung verstärkt den vernachlässigten Eindruck. Ein Volkspark im Dornröschenschlaf, der darauf wartet entdeckt zu werden. Das Bezirksamt Pankow kennt den Handlungsbedarf, umfangreiche Kartierung von Flora und Fauna laufen bereits.

Der Ort hat die Teilnehmenden sofort und dauerhaft mit seiner speziellen Ausstrahlung sehr fasziniert.

Ein Weg führt in einen dicht bewachsenen Wald, der rechts und links des Weges direkt anfängt. Volkspark Prenzlauer Berg, Foto: Stefan Reimann
Eine Bronzeskulptur spielender Kinder auf einem Betonstockel, der an eine Rutsche erinnert und der mit Graffitis bemalt ist; im Hintergrund dichter Wald; Volkspark Prenzlauer Berg, Foto: Stefan Reimann
Volkspark Prenzlauer Berg in Berlin, Fotos: Stefan Reimann

Ein Thema konsequent bis ins Detail durcharbeiten

Sie haben den Park im strahlenden Herbstlaub, an grauen Tagen mit Regen und Nebel erlebt. Sie kennen ihn mit matschigem Laub, im Winter mit Schnee ebenso wie seine Savannenstimmung bei sengender Hitze und Trockenheit im August. Die Vielfalt der struppigen, vegetativen Strukturen und deren haptisch-sinnliche Qualitäten im urbanen Kontext überrascht, ebenso die tausenden Bäume und viele Tierarten, die bekannt sind aber für die Besuchenden größtenteils unsichtbar bleiben, genau wie die üppige Topografie des Parks.

Im Studio sollte dieser besonderen Aura des Ortes Rechnung getragen werden, durch den Versuch ihn in drei charakteristisch zugespitzten Varianten entwurflich zu bearbeiten. Die Varianten suchen keine Kompromisse zwischen den Interessenlagen, sondern zeigen bewusst klare Kante. Ein Thema sollte konsequent bis ins Detail durchgearbeitet werden.

Blick auf eine weite, mit Gras bewachsene Fläche; im Hintergrund Bäume und dahinter Häuser, Volkspark Prenzlauer Berg, Foto: Stefan Reimann
Volkspark Prenzlauer Berg in Berlin, Foto: Stefan Reimann

Mit diesen drei Szenarien konnten die Studierenden zum Volkspark Prenzlauer Berg arbeiten

Dazu wurden drei Szenarios für die entwurfliche Bearbeitung vorgegeben:

Animal Park: Ist das im urbanen Kontext erlaubt, macht das Sinn? Ein Park, bei dem die Tiere im Mittelpunkt stehen und nicht die Menschen, wo Lebensräume für Tiere nicht als Alibi, sondern bewusst gleichberechtigt, mindestens Koexistenz anstrebend entwickelt werden. Dabei spielen der behutsame Umgang mit dem wertvollen Bestand und die geschickte Besucherlenkung eine besondere Rolle.

Climatize: Klimatisieren, das große Thema unserer Zeit, stellt das zweite Szenario dar. Hier steht die Anpassung des Parks an den Klimawandel im Mittelpunkt. Wie kann der Baumbestand des Parks durch Transformation nachhaltig, also zukunftsfähig, entwickelt werden? Wie kann an dieser Stelle zeitgemäßes Regenwassermanagement aussehen?

Human Nature: Bei diesem Szenario stehen die Menschen und ihre (speziellen) Bedürfnisse an diesen Ort mit seinem besonderen Charakter im Mittelpunkt. Ein Park zugeschnitten auch auf außergewöhnliche Nutzungen, downhill-biking oder Kletterwald, nichts ist unmöglich, hier sind Pflanzen und Tiere eher nebensächlich.


Die Besonderheit: Videos repräsentieren die Entwürfe

Mit engagierter Unterstützung von Dipl.-Ing. Susanne Isabel Yacoub (laview) für den Bereich Landschaftsarchitektur und Video begann das Studio zunächst mit einer rationalen, klassischen Analyse zur Geschichte des Ortes, den Qualitäten des städtebaulich-freiraumplanerischen Umfeldes und des Volksparks selbst. Diese wurde komplementiert durch eine emotionale, sinnliche Analyse, dem Erspüren des Ortes mit Rundgängen und gemeinsamem Brainstorming, einer Foto- und Videodokumentation. Diese arbeiteten die Studierenden in Einzelarbeit dann in Form eines experimentellen Analysevideos, durch Collagen oder als Installation aus und überführten sie in einen ersten, schnellen Wochenstegreif.

Ganz klassisch entwickelten die Teilnehmer*innen daraus jeweils eine Konzeptidee und die darauf basierende entwurfliche Durcharbeitung in Einzelarbeit. Als Besonderheit entstanden auch Videos, die die Entwürfe der Studierenden repräsentieren, ein experimentelles Novum. So entstanden 14 sehr unterschiedliche Arbeiten, die im Entwurf bis ins Detail durchgearbeitet wurden und die Bandbreite der Möglichkeiten für diesen besonderen Ort ausloten. Die hier vorgestellten sechs Arbeiten repräsentieren ausschnitthaft die Vielfalt der Ideen und Entwürfe, die im Rahmen des Studios „Into the wild“ entstanden. Alle Videos sind auf Instagram unter @fg.lob zu finden.

Die Vertreter*innen des Bezirksamt Pankow zeigten sich zur Abschlusspräsentation begeistert. Sie möchten Ideen ankaufen und den Wunsch der Studioleitung aufgreifen, den Volkspark Prenzlauer Berg – im Rahmen eines Wettbewerbsverfahrens – zukunftsfähig aufzustellen.

 

 

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Sechs Arbeiten aus dem Entwurfsstudio „Into the Wild“ zum Volkspark Prenzlauer Berg

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